Aus grauer Städte Mauern
Die Gemeinden werden finanziell belohnt, wenn sie die Landschaft verschandeln. Drum darf man sich über galoppierenden Flächenfraß und versiegelte Böden nicht wundern.
Das Haus im Grünen, der Supermarkt zwischen Kukuruzfeldern, dazwischen viel Autoverkehr: So lebt es sich in weiten Teilen unseres Bundeslandes. Viele Familien sind ausgezogen „aus grauer Städte Mauern“, sie wollen dort wohnen, wo es schön, ruhig und noch vergleichsweise günstig ist: in dünn besiedelten Zonen, in guter Luft, mit einem Garten für die Kinder.
Die Wirtschaft wiederum folgt erst recht dem Gesetz der Kalkulation. Es ist einfacher und billiger, am Ortsrand Geschäftsflächen in die Wiese zu betonieren, als im gewachsenen Zentrum einen Laden zu mieten und zu adaptieren. Außerdem brauchen die Kunden ja Parkplätze, weil sie alle dort wohnen, wo es schön ist, siehe oben. So greift eins ins andere. Übrig bleibt ein zersiedeltes Land: Nirgends wird so viel Fläche verbaut wie in Österreich, und in Österreich nirgends so viel wie in der Steiermark. Wir dürfen uns Europameister des Zubetonierens nennen.
Die Trendumkehr hat schon lange begonnen – allerdings fast nur in Worten, kaum in Taten. Denn die politischen Strukturen begünstigen den Flächenfraß. Bürgermeister und Gemeinderäte bestimmen, wer wo bauen darf. Fürs Verschandeln der Landschaft werden sie belohnt: Steuermittel gibt es pro Einwohner und pro Betrieb, aber nicht etwa nach einem Schlüssel, der sich am sparsamen Umgang mit Bodenreserven bemisst.
Meinte man es ernst mit der Umkehr, dann müsste man Finanzierungsmodelle einführen, die Umwelt- und Klimaschutz in den Mittelpunkt stellen. Steuergeld bekämen dann vorrangig jene Gemeinden, die das weitere Ausfransen ihrer Ortsränder verhindern. Auch das Instrument einer spürbaren Umwidmungsabgabe hätte als Bremse gewirkt – wenn man sie in den 1960er-Jahren eingeführt hätte. Man fragt sich wirklich, warum damals niemandem auffiel, dass die Verbauung weiter Landstriche klar zulasten der Allgemeinheit geht, die dann vom Kanal über den Schulbus bis zur Müllabfuhr alles teuer nachziehen muss. Einzig vom Breitbandausbau konnte niemand etwas ahnen.
Die Konzepte der Politik sind meist schwerfälliger als die Markttrends und die Ideen der „Immobilienentwickler“. Im Land bastelt man jetzt an Regeln, um künftig die Zahl der Parkplätze vor Supermärkten zu begrenzen. Und die Gemeinden sind gehalten, mit einigen Bauwerbern Verträge abzuschließen, damit nicht so viel gewidmetes Bauland jahrelang brachliegt. Das war es dann schon – schärfere Instrumente fehlen.
Stattdessen hat sich die Landesregierung mit der Einzelstandortverordnung für die Shoppingcity Seiersberg erst kürzlich für die Förderung von Flächenfraß, Zersiedelung und maximalem Autoverkehr ausgesprochen. Wenn man jetzt reumütig draufkommt, dass das nicht gescheit war, und sich mit einem „Klimakabinett“ ein grünes Mäntelchen umhängt, dann ist das eine beschämend späte Erkenntnis.
Aber besser spät als nie!
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